Höchstens vorsichtiges Andeuten

Hochsensibilität hat noch kein gutes Image in der Öffentlichkeit. Ich merke das daran, dass immer wieder Anfragen kommen, die einem Blick aus dem Mauseloch ähneln: „wie arbeiten Sie denn?“, „was passiert denn im Ihrem Salon?“ … und – huschschsch – sind die Interessenten wieder weg. Es gibt auch ganz konkrete Coachinganfragen, die gleich mit dem Zusatz kommen „ich würde ja niiiie an die Öffentlichkeit gehen damit“.

Hochsensibilität als Makel

Beim Versuch eine Parallele zu finden denke ich an die Entwicklung des Themas „Resilienz“. Ich erinnere mich an eine Geschichte, die mir eine Inhouse-Beraterin der österreichischen Raiffeisen-Bank erzählte, als ich vor mehr als 10 Jahren mit der Entwicklung von Trainingsmaßnahmen zu dem Thema auf den Markt ging. Dort wurde ein Gesundheitstag für alle Mitarbeiter angeboten. Zu Gast war ua einer der prominentesten deutschsprachigen Coaches mit einem 1-stündigen Vortrag. Zur Enttäuschung des gesamten Organisationsteams war der Vortrag enorm schlecht besucht. Das verblüffende war allerdings, dass in der Nacht nach dem Gesundheitstag keine andere Veranstaltung so häufig vom Server runtergeladen wurde, wie genau dieser Vortrag. Es war einfach zu befürchten, sich durch das Interesse an dem Thema als potentieller „Schwächling“ zu outen. So ähnlich muss das wohl mit der Hochsensibilität sein: wenn ich diesen Wesenszug von mir deutlich mache, werde ich als nicht belastbar, nicht leistungsfähig, sozial schwierig, als Sonderling … wahrgenommen.

Großes Interesse an der Andersartigkeit der Ansätze

Meine persönliche Erfahrung ist ganz anders. Schon allein durch meinen selbstverständlichen Umgang mit meiner eigenen Hochsensibilität strahle ich offenbar so eine tiefe Stabilität aus, dass die Menschen immer super interessiert sind und neugierig zu fragen beginnen. Und mein Verständnis von Hochsensibilität ist ein absolut potentialorientiertes. Ich bin überzeugt, dass die HSPs ua die Führungskräfte der Zukunft sind. Da sie den sogenannten Future Mind, die nötige Empathie und die Begabung zum Umgang mit entstehender Komplexität haben (siehe auch: https://novak-coaching.de/blog/die-fuehrungstools-der-zukunft-komplexes-denken-gepaart-mit-grosser-empathie/). Ich habe nie erlebt, dass mich jemand darum plötzlich schwächer, weniger leistungsfähig, benachteiligt erlebt hat. Eher im Gegenteil. Ich habe Interesse gespürt, mehr Offenheit dafür, dass Themen andersartig behandelt werden können (besonders mit Führungskräfte, die oft in einer Tretmühle stecken und sich immer und immer wieder Werkzeuge für menschenorientiertere Führung wünschen) und Dankbarkeit dafür, Achtsamkeit, Gefühlsorientiertheit, Selbstreflexion etc. als wesentliche Tools benannt zu sehen.

Hochsensibel mit Freude

Wenn Hochsensibilität aus der Nische krabbeln soll, muss es viel mehr in die Öffentlichkeit. Muss viel mehr Informiertheit darüber in die Welt und viel mehr Wertschätzung für die Potentiale, die darin liegen entstehen können. Darum bemühe ich mich jedenfalls. Und ich wünsche jeder und jedem HSP die Freiheit mit der eigenen Veranlagung so kraftvoll und gesund umzugehen, dass es in den nächsten Jahren möglich sein wird sich eher mit den eigenen Möglichkeiten zu brüsten, als sich damit zu verstecken. Genau so, wie man heutzutage mit Freude in seinen CV schreiben darf, dass Resilienztraining  zu den eigenen Weiterbildungsmaßnahmen gehört.